Früher war der falsche Knick ein eindeutiges Zeichen für Ausbildungsfehler des Pferdes und Reiter. Heute sieht man fast nur noch Pferde, die sich beim Reiten oder an der Longe mit falschem Knick im Hals bewegen.

Was bedeutet der Falsche Knick? Die Anlehnung, die Beugung des Kopfes wird nicht in den Gelenken zwischen dem Hinterhauptbein und 1. Halswirbel, sondern um und hinter dem 2. Halswirbel durchgeführt. Das Gelenk zwischen 1. und 2. Halswirbel sowie das Gelenk hinter dem 2. Halswirbel zum 3. Halswirbel wird dabei in maximale Beugung gebracht und der 2. Halswirbel steht als höchster Punkt nach oben hervor.
Folgen
Dies verändert die Biomechanik der Kopf-Hals-Bewegung während des Reitens und überdehnt Muskulatur und Nackenband über dem 2. Halswirbel. Auch der Schleimbeutel (grau, 4. Bild) wird übermäßig gereizt, was zu dauerhaften Entzündungen und zu jahrelangen Anlehnungsproblemen wie Kopfschlagen führen kann. Auch die Gelenke zwischen 1. und 2. und 3. HW (welche nicht für starke Beugung ausgelegt sind) werden stark überlastet und verschleißen.

Ursachen
übermäßige Handeinwirkung - die maximale Beugung zwischen Genick und 1. HW ist erreicht - der 2. HW muss kompensieren (Auch wenn der Reiter versucht das Tempo über den Zügel abzuparieren!)
Der Brustkorb und untere HWS hängen nach unten durch, das Genick müsste als Fortsetzung eigentlich in Streckung verbleiben, das Pferd folgt jedoch der Reiterhand und kompensiert am 2. HW
zu hohe Spannung der Streckerkette der Oberlinie (Rückenmuskeln, obere Halsmuskeln) - der 2. HW wird als „Umlenkrolle“ zur Zugentlastung des Genicks umfunktioniert

Oft sieht man schon bei jungen Pferden, die heutzutage schon durch die Zucht ein großes Bewegungsvermögen mitbringen, dass diese vorn "gebremst" werden und man so versucht die Bewegung zu händeln. Leider haben diese Pferde nicht die Möglichkeit, die Bewegung von hinten nach vorn zu entwickeln, unter dem Reiter ein normales Bewegungsmuster zu entwickeln, aus dem der Reiter geschmeidig die angebotene Anlehnung des Pferdes aufnehmen können.
Dasselbe passiert durch Hilfszügel (Ausbinder, Dreieckszügel, Longierhilfe) oder auch Schlaufzügel. Der Hals ist die Verlängerung des Rückens, er ist Maßstab dafür, wie sich der Rest des Rückens bewegt. Ist der Hals nach oben gestreckt, so ist meist das Problem weiter hinten zu suchen. Zwingt man den Hals in eine Position durch Hilfszügel, kaschiert man das Problem, und korrigiert die Ursache nicht wirklich. Die Folge: das Pferd muss Kompensationsmechanismen entwickeln, wie es sich trotz der Bewegungseinschränkung (Hilfszügel) mit dem Problem (z.B. Rücken/Becken) möglichst angenehm fortbewegen kann. Der Falsche Knick entsteht.
Die korrekte Bewegung von hinten nach vorn —> Durchschwung von Becken, Wirbelsäule nach vorn oben ins Genick ist nicht möglich - es entstehen nach hinten ausgerichtete Bewegungsmuster, Hals, Übergang Halswirbelsäule-Brustwirbelsäule und Brustkorb werden zusammengestaucht und nach unten geschoben.
Biomechanischer Hintergrund
Der Übergang zwischen 1. (Atlas), 2. (Axis) Halswirbel ist vom möglichen Bewegungsausschlag weniger für Beugung und Streckung gedacht als der Übergang zwischen Hinterhauptbein und Atlas geeignet. Grund ist ein Fortsatz nach vorn am 2. Halswirbel (Dens Axis - "Zahn" des Axis), welcher die Bewegung in Beugung und Streckung begrenzt.
Das Gelenk zwischen Atlas und Axis ist vor allem für Rotationsbewegungen ausgelegt. Also Drehungen des 1. Halswirbels um den Dens Axis. Das sind die typischen "Verwerfungen" im Genick - welche besonders häufig bei einem falschen Knick vorkommen.
Das Gelenk zwischen Hinterhauptbein und Atlas ist das eigentliche Gelenk für Beugung und Streckung (Ja-Sager Gelenk) und damit die Anlehnung. Zusätzlich ist hier eine größere Längsbiegung möglich - die Stellung im Genick. Geht diese Bewegung in den 2. Halswirbel über, bei einem falschen Knick, kommt es zum Verwerfen, da der Dens Axis auch hier wieder wenig Längsbiegung zulässt.

Korrektur
Diese Haltung ist sehr schwer zu korrigieren. Das Problem befindet sich meist nicht im Genick, sondern im restlichen Körper, der Hals kaschiert die falsche Körperhaltung und versucht so angenehm wie möglich an die Zügeleinwirkung heran zutreten. Diese muss zunächst fast gesamt herausgenommen werden (vor allem Hilfszügel, Schlaufzügel!), dann muss intensiv am Heben des Brustkorbes durch den Rumpftrageapparat gearbeitet werden. Das Pferd muss erst einmal wieder lernen, aus der Hinterhand über den Rücken in das Genick, statt in den 2. Halswirbel zu schwingen. Lest doch dazu meinen Beitrag zum Rumpftragemuskel!
Bei Pferden mit großem Bewegungsausmaß kann es sich empfehlen, ein Halsring unterstützend einzusetzen, um den eigenen Drang nach dem "Bremsen" am Zügel zu bessern. Das Pferd sollte lernen, durch Lektionen wie Übergänge, Tempo- und Tempiwechsel, sich im Körper zu tragen. Bis es gelernt hat, die Gewichtshilfen des Reiters besser anzunehmen, kann man mit dem Halsring, statt Zügel unterstützen.
Natürlich ist hierbei ein großer Punkt die Zügeleinwirkung des Reiters. Wir müssen verstehen, dass das Problem nicht beim Pferd liegt, sondern in der Art und Weise wie es sich in unserem Training bewegt. An einer groben und unsanften Reiterhand, hinter der sich ein sensibles Pferdemaul verstecken möchte, muss zwingend gearbeitet werden.
Zunächst sollte mit einem Fachkundigen Trainer analysiert werden, wo die Problematik des Pferdekörpers liegt. Nur über das Abstellen dieser schlechten Körperhaltung lässt sich ein falscher Knick dauerhaft korrigieren.
So sollte es aussehen


Der Falsche Knick ist übrigens ein kleiner Themenausschnitt aus unserem 4. Teil "Versammlung" der Ausbildungsserie "Biomechanische Trainingslehre"


Comments